Montag, 11. Juni 2012

Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich,,

KönigsImpulse im Juni
Eine Handreichung für Menschen, die sich entfalten wollen.
Die KönigsImpulse dienen der Inspiration, dem Dranbleiben und Innehalten.


„Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich.“       Michael Ende

Jetzt beginnt der Juni, bald ist Halbzeit 2012. Mit der Sommersonnwende am Monatsende werden die Tage wieder kürzer, während der Hochsommer gerade erst beginnt. Das ist ein ganz besonderer Abschnitt im Jahreslauf - während im Mai die aufblühende Natur die Lebenslust herauskitzelt, ist der Juni der Monat der puren Freude und der Leichtigkeit. Wäre der Juni eine Frau, sie wäre Anfang 30, hätte den Arm voller Blumen und sänge Lieder. Wohl sähe sie den Schweiß auf der Stirn, Trauer oder Angst - doch mit heiterer Zuversicht und Zutrauen sänge sie Freude ins Gemüt. Wäre der Juni eine Farbe - welche Tönung hätte er? Wäre er ein Duft - was würden Sie riechen?

Vor der Sonnwende ist die richtige Zeit für eine Verschnaufpause auf dem Weg. Also: Eine Bank am Wegesrand suchen, Rucksack absetzen, Vesper auspacken und  ausruhen. Von der Bank aus lässt  sich die Aussicht genießen, und Sie können sich die zurückgelegte Wegstrecke bewusst machen.

Etliche Anregungen gab's bislang im Jahr der Selbstfürsorge: Im Januar das Jahresmotto-Finden, im Februar das Maskenspiel, im März und April die Selbstreflektion und im Mai das Aufspüren der Kernsätze.
Was haben Sie entdeckt? Nehmen Sie sich Zeit, sich Ihre Erkenntnisse nochmals zu formulieren: Was möchten Sie dieses Jahr verändern? Welche alten Rollen möchten Sie ablegen, mit welchen neuen Masken spielen? Sind Sie freundlich und wohlwollend sich selbst gegenüber? Wie lauten die Kernüberzeugungen, die Sie ablegen möchten, wie die neuen, die Sie ins Leben tragen möchten?

Ich hoffe, Sie haben aus der Fülle, das für Sie Passende ausgewählt.
Freuen Sie sich daran!
Feiern Sie Ihre Wahl: Wie wäre es, Freunde zu einem abendlichen Überraschungsfest einzuladen?

Bevor Sie sich wieder auf Ihren Weg machen, möchte ich Ihnen die Geschichte von Beppo, dem Straßenkehrer, wiedergeben, aus dem Buch Momo von Michael Ende. Sie hat mich gelehrt, mich anders im Getümmel zu bewegen.

Viel Freude auf Ihrem Weg.
Ihr Gunter König

Weisheit von Beppo, dem Straßenkehrer

Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief. Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit. Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig: Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Schritt – Atemzug – Besenstrich. Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter – Schritt – Atemzug – Besenstrich ---.
Während er sich so dahinbewegte, vor sich die schmutzige Straße und hinter sich die sauber, kamen ihm oft große Gedanken. Aber es waren Gedanken ohne Worte, Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder wie eine Farbe, von der man geträumt hat. Nach der Arbeit, wenn er bei Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken. und da sie auf ihre besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen Worte.
„Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „Es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“ Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“ Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“ Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt, wie, und man ist nicht außer Puste.“ Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: „Das ist wichtig.“

Michael Ende aus Momo